Montag, April 03, 2006

Maria Licht, Trun


Gnadenbild Maria Licht - Nossadunna della Glisch, Trun


"Maria Licht" - schon dieser Name macht uns froh. Wir leben ja im Dunkel dieser Welt. Wo aber Maria hinkommt, da wird es hell. Es war schon immer so, vielleicht auch damals in Trun ums Jahr 1660.

Der Pfarrer von Trun schaute zum Fenster hinaus, ehe er die Läden schließen wollte. Rings um Trun war es schon Nacht, und die Welt schien zu schlafen. Was aber strahlte dort oben auf dem Felsenhügel so hell und klar? Niemals hatte er so etwas gesehen. Hatte sich ein Stern herniedergelassen, um mit seinem Silberlicht die Schrecken der Nacht zu verscheuchen? Dort mußte es sein, gerade dort, wo die kleine Kapelle des heiligen Sebastian stand. Der Pfarrer rieb sich die Augen, hatte er sich getäuscht oder träumte er? Nein, es war Wirklichkeit. Der Gedanke, daß es sich hier um ein Phänomen handle, ließ ihn nicht los. Sollte der Himmel ein Zeichen geben für die Zukunft? Oder hatte gar die Muttergottes selber einen Wunsch für ihn und sein armes Volk? Arm waren sie ja alle hier, diese Bauern und Hirten. Ihre Hütten, Häuser, Weiden wurden stets von Lawinen bedroht. Und wie manches Haus war schon durch Feuer zerstört worden! "Heilige Maria, Muttergottes, bitte für uns arme Sünder", betete er und schaute hinauf, bis das Licht erlosch. Er nahm sich vor, einstweilen zu schweigen über sein Erlebnis.

Am nächsten Abend aber wurde er von neuem überrascht durch das wunderbare Licht auf dem Felsenhügel. Er konnte den Abend von jetzt an kaum erwarten. Und als er das Licht immer wieder sah, betete er so inständig wie noch nie zur Königin des Himmels, daß sie ihn erleuchte. Nicht lange ging es, als ihm von den Leuten des Dorfes erzählt wurde, auch sie hätten das wunderbare Licht gesehen, und alle waren in ihrem kindlichen Glauben davon überzeugt, daß die Muttergottes selber in dem Lichte zu ihnen komme. In fernen Höfen erzählte man davon, und manche einer legte beim Zunachten den Weg nach Trun zurück, um das wunderbare Licht zu sehn. Ja, auch dem Abt des Klosters Disentis wurde die Kunde davon überbracht. Es mag eine große Freude und Zuversicht die Herzen erfaßt haben in jenen Tagen.

Der Pfarrer von Trun wurde davon am tiefsten ergriffen. Es drängte ihn zum Versprechen, oben, wo das Licht erschien, zur Ehre der Muttergottes eine Kirche zu bauen, damit sie weiter leuchte für alle Menschen, die da zu ihr kämen in zukünftigen Zeiten. Als er diesen Plan den Leuten kundtat, weckte er so großen Opfersinn in den Herzen, daß sie beisteuerten, was sie nur konnten, für das geplante Heiligtum. "Maria Licht" sollte es heißen, sagte der Pfarrer, denn da oben auf dem Felsenhügel, wo die Alten einst zum Götzendienst ihre Feuer angezündet hatten, wünsche die Muttergottes, die Besiegerin des Satans, ihr Licht der Gnade zu verbreiten.

Wie "Maria Licht" zur Wallfahrtsstätte wurde

Der 27. April 1663 war der Tag, da auf dem Hügel der Grundstein zur Muttergotteskapelle gelegt wurde. Man kann sich denken, daß sich viel Volk dazu einfand und daß auch Mönche vom Kloster Disentis daran teilnahmen. Als die Nacht hereinbrach, wurde die ganze Anhöhe von wunderbarem Licht übergossen, und das Licht eines himmlischen Trostes erfüllte alle, die es sahen.

Mühsam war das Bauen da droben, aber man tat es ja für die Herrin des Himmels und der Erde, um ihren Wunsch zu erfüllen. Jede Last, die man aufwärts trug, jeder Hammerschlag auf harte Steinblöcke wurde erleichtert in dieser Gesinnung. Langsam wuchs die Kapelle empor. Eingeweiht wurde sie aber erst am 4. Juli 1672. Und nun stand sie nie mehr einsam auf der Höhe. In allen Nöten und Dunkelheiten pilgerte das Bergvolk zur lieben Muttergottes. Das Kirchlein war bald zu klein und wurde schon 1681 vergrößert.

"Maria Licht", "Nossadunna della Glisch" goß seine Strahlen über die ganze Gegend. Seit 1679 stellte Disentis durch zweihundert Jahre den Benefiziaten.

Mit der Zeit hingen hundertsiebzig Votivbilder an den Wänden, welche von Erhörungen in allem Menschenleid künden, besonders von Bergnot, vor Lawinen. Das Gnadenbild auf dem Hochaltar, Maria mit dem Kinde, zieht alle an, die sich ihm vertrauensvoll nahen.

Im Jahre 1723 donnerten die Lawinen besonders heftig von allen Hängen zu Tal. Wer noch nie so etwas erlebt hat, kann sich keine Vorstellung machen, von welchem Schrecken die bedrohten Menschen dann erfaßt werden, wenn sie keinen Augenblick sicher sind, im weißen Grab zu ersticken. In diesem Schreckensjahr wurde auch die Kapelle "Maria Licht" von einer Lawine bedroht, aber wunderbar vor der Zerstörung bewahrt. Als die Leute sich durch den Schnee wagen durften, fanden sie das Heiligtum angefüllt mit Lawinenschnee bis zur Ewiglicht-Lampe. Diese aber war nicht ausgelöscht worden, weder durch den starken Luftdruck noch durch den Schnee. Der Benediktiner, der damals als Benefiziat den Wallfahrtsdienst versah, sah sich einem Wunder gegenüber, denn menschlich gesehen, hätten die Mauern bersten müssen. Maria hat gewacht, und ihr göttlicher Sohn im Tabernakel wollte das Haus seiner Mutter retten, zum Zeichen für alle ihre Kinder.

"Maria, Du Licht in dunkler Nacht, Du Licht des Trostes und der Freude, Du Licht, das uns vor der Finsternis der Hölle rettet, Du Licht, das die Engel mit Wonne erfüllt, Du Licht, das der Heiligen Seligkeit vermehrt, leuchte uns auf allen Wegen und besonders in der Stunde unseres Scheidens von dieser Welt!"

Truns (rhätoromanisch: Trun) liegt am Oberlauf des Rheins an der Bahnlinie und Autostraße zwischen Chur und Disentis, an der Südflanke des Tödi.

(Aus: Ida Lüthold-Minder: Helvetia Mariana - Die marianischen Gnadenstätten der Schweiz - Christiana-Verlag, Stein am Rhein, 1. Auflage 1979. ISBN 3 7171 0746 1)

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